Meet Eleanor© at Red Bull Ring. June 27th to 29th!
Motorengröße
2993cm³
(183cuin)
Leistung
485PS
(357KW)
Getriebe
Manuell
Preis
gegen Gebot
Interne Nummer #245
Lotus 76 / JPS Mk I
Saison 1974
Chassis 76/1
Es gibt Leute, die den Lotus 72 für das erfolgreichste Formel-1-Auto aller Zeiten halten, schließlich gewann die revolutionäre Konstruktion von Colin Chapman und Maurice Philippe mit Jochen Rindt (1970) und Emerson Fittipaldi (1972) zwei Fahrer-Weltmeisterschaften und zwischen 1970 und 1973 drei Konstrukteurspokale. Der 72 war in seinen verschiedenen Evolutionsstufen bis zum Typ 72E vier Jahre lang siegfähig.
Aber der Fahrertitel 1973 war nicht an Emerson Fittipaldi oder Ronnie Peterson gegangen, sondern wie schon 1971 an Tyrrell-Pilot Jackie Stewart. Während der Brasilianer zur Saisonmitte und der Schwede zu Jahresbeginn eine Serie mit jeweils vier Ausfällen in fünf Rennen hinlegten, war der Schotte Stewart eine konstantere Saison gefahren. Mit sieben Siegen und dem sechsten Konstrukteurspokal war das Jahr durchaus erfolgreich, aber Chapman war nicht der Typ, der sich auf irgendwelchen Lorbeeren auruhte. Mit Ralph Bellamy arbeitete er 1973 längst am Nachfolger, der auf den Qualitäten des Vorgängers aufbauen sollte, aber mit einigen Neuerungen aufwarten konnte.
Das begann schon bei der Bezeichnung: Der Lotus 72 begann seine Karriere in den rot- weißen Farben des Zigarettensponsors Gold Leaf, bevor der Mutterkonzern Imperial Tobacco im Lauf der Saison 1973 die Farben der Sorte John Player Special auftragen ließ. Das 74er Modell war das Erste, das von Anfang an in Schwarz und Gold lackiert war, und der Geldgeber, der eine langfristige Partnerschaft anstrebte, bestand darauf, dass der Nachfolger den Namen „John Player Special Mark 1“ erhalten sollte. Den Begriff Lotus 76 verwendete Colin Chapman intern oder vor ausgewählten Reportern. Der erste Auftritt sollte ein großer werden, und so mietete man für die Präsentations-Show das neue Londoner Theater an.
Die Keilform der vorigen Konstruktion blieb erhalten, ebenso der Cosworth-Motor und das Fahrwerk mit Drehstabfedern samt der zur Verringerung der gefederten Massen innen liegenden Bremsen. Das Chassis des Lotus 76 war leichter und steifer und lag nahe am Gewichtslimit von 575 Kilo. Die Aerodynamik war mit der sanfter abfallenden Nase und den verlängerten Seitenkästen ausgefeilter, auch wenn sich die Innovation eines Doppeldecker-Heckflügels nicht als großer Wurf erwies. Spannendstes Detail am neuen Auto war die elektrohydraulische Kupplung, die mit einem Druck von 55 bar per Knopf am Schaltknauf den Kraftschluss unterbrach und im Fünfgang-Getriebe von Hewland kürzere Schaltzeiten ermöglichen sollte. Chapman hatte sich die Komponenten für ein Jahr exklusiv zusichern lassen, was beim Zulieferer kein Problem darstellte. Man war mit der Produktion für Lotus ohnehin komplett ausgelastet.
Sein Debüt gab der 76 beim dritten Grand Prix in Südafrika, es wurde ein Reinfall. Neuzugang Jacky Ickx schaffte es gerade noch in die Top Ten der Startaufstellung, Stammkraft Peterson startete von Rang 16. Beide waren in eine frühe Kollision verwickelt. Peterson gab nach zwei Runden auf, Ickx strandete später mit defekten Bremsen.
Routinier Peterson freute sich über ein viertes Pedal. Der 76 ließ sich sowohl konventionell mit dem rechten Fuß bremsen, aber ein zusätzliches, links der Lenksäule eingebautes zweites Bremspedal machte es möglich, den nach dem Start ungenutzten Kupplungsfuß wie im Kart zum Linksbremsen zu nutzen. Grau ist alle Theorie: Die neue Kupplung funktionierte schon bei den Tests nur unzureichend. Beide Fahrer forderten alsbald die Rückkehr zu einer konventionellen Schaltung. Schon beim zweiten Einsatz war die elektrische Kupplung „für weitere Entwicklung“ auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
In der Theorie ein großer Wurf, erwies sich das neue Auto als fragil. In vier bestrittenen Rennen kam der 76 wegen Defekten nie ins Ziel. Schon vor dem sechsten Lauf in Monaco forderte Peterson energisch: „Holt den alten raus, ich fahre mit dem weiter.“ Den bewährten Lotus 72 stellte er – nur geschlagen von den beiden Ferrari 312B3 von Niki Lauda und Clay Regazzoni – in Monte Carlo in die zweite Startreihe. Obwohl ihm zwischenzeitlich ein Fehler in der Rascasse unterlief, und der dicht auffahrende Carlos Reutemann unschuldig in sein Heck rauschte, gewann der Schwede das Rennen und untermauerte die Erkenntnis, dass die Fahrbarkeit eines Autos ebenso wichtig ist wie eine revolutionäre Konstruktion. Peterson gewann auch in Dijon und in Monza und sorgte so für ein halbwegs versöhnliches Saisonende.
Colin Chapman fällte im Rückblick ein vernichtendes Urteil über den JPS Mk1: „Alle Systeme funktionierten nicht, egal ob Benzin, Öl, Kühlung oder Bremsen. Auch die Lenkung war nicht sehr gut.“ Das alles war nach Chapmans Einschätzung zu beheben, ernsthafte Sorgen machte nur die Hinterradaufhängung: „Ich hatte panische Angst, das Auto könnte ein Rad verlieren.“ Nach diversen Modifikationen stellten Chapman und Bellamy das Auto auf die Waage, es war genauso schwer wie die letzte Ausbaustufe des 72 und Chapman entschied: „Es macht keinen Sinn, das alles auszusortieren, wenn wir am Ende ein Auto haben, das nicht leichter ist als der 72, aber dafür mit 50 neuen Problemen.“
Den Lotus 76 als kompletten Flop zu bezeichnen, würde ihm trotzdem nicht gerecht. Die wie so oft in der Lotus-Geschichte neue Wege beschreitende Konstruktion hatte schlicht nicht die Zeit, ihre Qualitäten zu beweisen. Viele Lotus-Renner brauchten aber genau die, um in der Theorie großartige Ideen auch in konstant schnelle Rundenzeiten zu übersetzen. Petersons prestigeträchtiger Sieg im Fürstentum war der entscheidende Sargnagel auf dem Projekt 76. Lotus fuhr die Saison mit dem 72 zu Ende, dem 76 kam lediglich eine Rolle als Ersatzauto zu
Chassis 76/1 aus der Black & Gold-Collection, das über den großen Teich zu den Grand Prix von Kanada und der USA geschickt wurde, war der letzte Lotus 76, der zu einem Rennen startete, auch wenn er an diesem nie hätte teilnehmen dürfen. Beim Finale in Watkins Glen setzte das Team Nummer 76/1 als drittes Auto für Tim Schenken ein, der es aber nicht schaffte, das Auto zu qualifizieren. Zur Ehrenrettung von Fahrer und Auto sei gesagt, dass auch Peterson und Ickx nach der Qualifikation nur auf den Plätzen 16 und 19 standen. Die Geschichte endete mit einem Eklat: Schenken trat einfach trotzdem zum Rennen an. In der sechsten Runde wurde er mit der schwarzen Flagge herausgewunken und disqualifiziert.
Dass der ausgemusterte neue GP-Renner durchaus Potenzial hatte, zeigte sich schon beim zweiten Einsatz beim nicht zur Formel-1-WM zählenden Rennen in Silverstone, wo Peterson führte, bis ein Hinterreifen Blasen warf und der Motor einging. Beim anschließenden Großen Preis von Spanien verpasste der Schwede hauchdünn die Pole, gewann aber den Start und führte im verregneten Rennen das Feld an, bis Bremsen und Motor versagten. Streng genommen steht zumindest eine halbe Zielankunft zu Buche. Als Peterson am Nürburgring seinen 72 crashte, bauten ihm die Mechaniker aus einem 76er Chassis mit Motor und Hinterachse des 72 einen Zwitter, mit dem Peterson in der Eifel Fünfter wurde. Das vorzeitige Ausmustern des 76 rächte sich 1975, wo Lotus ohne aktuelle Konstruktion ein fünftes Jahr mit dem Typ 72 in Angriff nahm, der nun endgültig überholt war. Mit gerade mal neun Pünktchen im Konstrukteurspokal versank Lotus in der Bedeutungslosigkeit.
Zu was der Lotus 76 in der Lage ist, wenn es ausgereift und gut vorbereitet an den Start geht, zeigte das Team ChromeCars-Racing beim Grand Prix Monaco Historique 2022: Marco Werner verpasste mit konventioneller Kupplung und Aerodynamik als Zweiter nur knapp den Sieg.