Meet Eleanor© at Red Bull Ring. June 27th to 29th!
Motorengröße
1492cm³
(91cuin)
Leistung
596PS
(438KW)
Getriebe
Manuell
Preis
gegen Gebot
Interne Nummer #221
Lotus 95T
1984
Chassis 95T/1
Die ersten Monate von Gérard Ducarouges Arbeit für Lotus waren reines Krisenmanagement, die erfolgreiche Blitzkonstruktion des 94T in nur anderthalb Monaten hat ihm in Ketteringham Hall den Ruf eines Magiers eingebracht Dabei ist das Erfolgsgeheimnis des 42-jährigen Franzosen genau das Gegenteil von Zauberei und auch ein komplett anderes als das des Colin Chapman, dessen Kreativität und Spontaneität oft genug das restliche Feld überrumpelten, der sich aber auch in Ideen verrennen konnte, auch wenn sie fehlschlugen oder zu komplex waren, um sie zu beherrschen. Ducarouge ist ein methodischer Arbeiter. In seinen Zeiten bei Matra, Ligier und Alfa hat er aus den gesammelten Erfahrungen klare technische Prinzipien destilliert, an denen er sich bei der Entwicklung entlanghangelt. Was nach den richtigen Maßgaben entwickelt worden ist, muss man nur richtig abstimmen, dann wird es funktionieren.
Und so ist auch sein zusammen mit Martin Ogilvie erschaffenes, erstes eigenes Auto bei Lotus kein Hexenwerk, sondern wie der Schnellschuss 94T eine im Prinzip ehe simple Konstruktion, die somit auch vergleichsweise früh fertig ist, obwohl nach Ducarouges Aussage 90 Prozent aller Teile neu sind. Dabei hilft auch die Infrastruktur, die Colin Chapman in Ketteringham Hall aufgebaut hat. Lotus kann seine Karbon-Komponenten selbst fertigen und ist nicht auf Zulieferer angewiesen. Die Kohlefaser-Pioniere aus Norfolk haben zudem reichlich Erfahrung. Seit 1981 haben sie 17 Chassis aus Verbundfasern gebaut, kein einziges davon ist je durch einen Unfall irreparabel beschädigt worden.
Bereits im Dezember 1983 kann Elio de Angelis den ersten 94T in Rio ausgiebig testen und fährt äußerst ermutigende Zeiten. Es ist das Chassis aus der Black & Gild Collection, das später Nigel Mansell beim Großen Preis von San Marino bewegen wird. Ducarouge hat zwei Aerodynamik-Ausführungen entwickeln lassen, eine für schnelle und eine für langsame Strecken. Letztere ist an den markanten Seitenflügeln am Heckleitwerk erkennbar. Die zusätzlichen Anpressflächen sind keine Lotus-Erfindung. Topteams wie Ferrari und Renault nutzen sie schon 1983. Die einzige wirkliche Neuerung, die das Team im Lauf der Saison immer wieder probiert, sind Karbon-Bremsen, die deutlich leichter sind als die gebräuchlichen Stahlscheiben, aber schwieriger auf Betriebstemperatur zu bringen sind.
Anders als beim 94T baut der Nachfolger nicht auf einem bereits bestehenden Lotus-Kern auf. Das Karbon-Kevlar-Monocoque ist komplett neu, noch einmal leichter als das des umgebauten 91-Chassis vom Vorjahr. Die Neukonstruktion ist auch deshalb notwendig, weil der Motorsport-Weltverband das Nachtanken verboten hat. Der im Vorjahr von Brabham zuerst angewandte Kniff hat dafür gesorgt, dass die Formel 1 trotz trinkfreudiger Turbomotoren mit einigermaßen kompakten Sprit-Reservoirs auskam. Die Turbo-Fraktion ließ ihre Aggregate sogar extra fett einstellen, das zusätzlich eingespritzte Benzin half, die ständig hitzebedrohten Motoren zu kühlen. Bei der FIA hält man dieses Gebaren für nicht mehr zeitgemäß. Mit dem Verbot nachzufüllen, ist erstens das Risiko eines Feuerunfalls beim Boxenstopp gebannt, zudem wird Effizienz belohnt. Die ist während des Rennens auch nötig, denn die bisher geltende maximale Benzinmenge von 250 Litern ist nun auf 220 Liter reduziert.
Lotus-Motorenpartner Renault hat viel Hirnschmalz in seinen 1,5-Liter-V6 gesteckt. Schon im Vorjahr ist der EF1 durch einen Alu-Block, der wie zuvor bei Ferrari einen Stahlblock ersetzt, leichter geworden. Der neue EF4 leistet im Ernstfall bis zu 820 PS, und ist im Vergleich zum Vorgänger dennoch zuverlässiger.
Im Feld gibt es keine zwei Meinungen, dass der Lotus 95T das Auto mit dem besten Handling ist, die gleich motorisierten Teams Ligier und das Renault-Werksteam lässt die schwarz-goldene Mannschaft locker hinter sich, was dazu führt, das Renault-Chef Bernard Hanon den Vertrag mit Lotus um drei Jahre verlängert. Es gibt bei Renault nur ein Problem: den Spritkonsum. Vor allem der von TAG finanzierte Porsche-Motor im McLaren ist dem Renault im Verbrauch überlegen, und das wird am Ende die Saison entscheiden. Das schärfste Schwert im Beritt der Régie Renault wird gegen Rennende nicht selten zur stumpfen Waffe, weil die Lotus-Fahrer den Ladedruck runterregeln müssen, um nicht mit leerem Tank zu stranden.
Ein weiterer Bremsklotz sind die Reifen. Michelins Radialreifen sind seit 1983 das Maß der Dinge, der letztjährige Pirelli-Deal hat Lotus Geld gebracht, aber keinen Erfolg, Lotus kehrt zurück zum früheren Partner Goodyear. Dort arbeitet man fieberhaft daran, den Rückstand zu Michelin aufzuholen, die amerikanischen Gummis sind aber nicht überall konkurrenzfähig. Und so gewinnt McLaren mit Michelins am Ende zwölf Rennen, holt mit großem Vorsprung den Konstrukteurspokal und mit Niki Lauda den Fahrer-Titel vor dessen Teamkollege Alain Prost.
Lotus gelingt kein einziger Sieg, und doch ist der 95T ein Erfolgsauto. De Angelis ist als WM-Dritter Best of the Rest. Es ist nicht so, dass die Chancen nicht da waren: Mansell steht zwei Mal in der ersten Startreihe, de Angelis vier Mal, beim Saisonstart Rio nach all den Testkilometern im Winter gar auf der Pole. Wer trotz früh auftretenden Fehlzündungen das Rennen auf Rang drei beendet, hätte laut Teamchef Peter Warr ohne Panne locker gewinnen können. In einem komplett verregneten Monaco-Grand Prix siegt eine gewisser Ayrton Senna im Toleman, der Gewinner hätte aber ebenso gut Nigel Mansell heißen können, wäre der Engländer nicht auf einer Straßenmarkierung ausgerutscht. De Angelis fährt dem Feld in Hockenheim davon, bis der Motor platzt, er ist siegfähig bei den US-Rennen in Detroit und Dallas, aber dort verhindern Schaltprobleme den Erfolg.
Der Getriebe-Ärger sorgt für die einzig aufgeregte Phase in der Laufbahn des 95T. Sowohl beim Renault-Werksteam als auch bei Lotus setzt sich schnell die Erkenntnis durch, dass eine neue Schaltbox notwendig ist, und hier zeigt sich mal wieder die Schlagkraft der britischen Mannschaft. Während man in Viry-Chatillon nicht vor der kommenden Saison mit Abhilfe rechnet, läuft in die Entwicklungs-Maschine in Ketteringham Hall wie geölt. Nach den Schwierigkeiten in Dallas Anfang Juli sind zwei Wochen später in Brands Hatch stärkere Gangräder verbaut. Derweil entsteht ein neues Getriebegehäuse samt neuem Schaltmechanismus, beides rechtzeitig fertig zu den Nürburgring-Tests im September.
Früher zerriss sich die Mannschaft für Chapman, jetzt tut sie es für Ducarouge. Die Pleiten in Amerika täuschen: Ducarouges methodisches und unaufgeregte Vorgehen bringt eine selten gesehene Zuverlässigkeit mit sich. Der beständige Elio de Angelis kommt bei 16 Rennen elf Mal ins Ziel, davon zehn Mal in den Punkten, eine solche Quote schafft in dieser Saison nur Vize-Weltmeister Alain Prost. Der Italiener steht vier Mal auf dem Podium, Mansell zwei Mal.
Bei Peter Warr setzt sich die Erkenntnis durch, dass es vielleicht auch an der Fahrerpaarung liegt, dass die ganz großen Erfolge ausbleiben. De Angelis fehlt es nach seiner Meinung genau an dem Kampfgeist, den Mansell mitbringt, aber der macht ihm zu viele Fehler. Der zuweilen hartleibige Warr und der ewig nörgelnde Mansell haben sich auseinandergelebt. In Ketteringham Hall führen die Mechaniker auf einer Tafel Buch über die gängigsten Ausreden des Mannes aus Birmingham. Vielleicht sind fünf Jahre mit der gleichen Besetzung auch zu viel. Am Jahresende wird Mansell zu Williams wechseln. Was Team und Auto angeht, herrscht Zuversicht. Man muss nur auf dem eingeschlagenen Pfad weitergehen, dann werden die Siege schon kommen.