1983 Lotus 94T John Player Special

Movie-Cars

Motorengröße

1492cm³

(91cuin)

Unique Cars

Leistung

470PS

(346KW)

Racing-Cars

Getriebe

Manuell

Racing-Cars

Preis

gegen Gebot

Technische Daten

Fahrzeugtyp
Formel 1
Motorentyp
Renault-Turbomotor
Zylinder
6
Fahrgestell-Nr.
94T/2
Wagenfarbe
schwarz
Interiorfarbe
schwarz

Interne Nummer #248

Beschreibung

Lotus 94T 


1983


Chassis 94T/2 


In Ketteringham Hall war allen spätestens nach dem Verbot des Lotus 88 klar, dass die Vorteile des Turboantriebs mit aerodynamischen oder sonstigen Mitteln auf Dauer nicht zu kompensieren waren. Ein exklusiver Motorenpartner, wie ihn Brabham mit BMW an Land gezogen hatte, stand nicht zur Verfügung, und so entschied sich Lotus für einen Vertrag über Kundenmotoren mit Renault. Schließlich hatten die Turbo-Pioniere aus Viry-Chatillon auch die größte Erfahrung mit Aufladung. Erstmals sieht sich Lotus mit einem Antrieb konfrontiert, der nach vielen Jahren mit Cosworth unterhalb der 500-PS-Grenze nun 650 oder gar 700 PS entwickelt. 


Für die Saison 1983 hat Colin Chapman zusammen mit Martin Ogilvie das erste Turbo-Chassis der Lotus-Geschichte entwickelt, es ist Chapmans letzte Konstruktion vor seinem Tod im Dezember 1982. Das Turbo-Thema ist alles andere als trivial, abgesehen von den größeren Kräften, die auch größere Bremsen erfordern, führt das Aufladungskonzept vor allem zu Platzproblemen. Nach dem nun komplett flache Unterböden vorgeschrieben sind, fahren die meisten Top-Teams mit kurzen Seitenkästen, nicht so Lotus. Abgesehen vom Lader selbst ist ein Ladeluftkühler unterzubringen, dazu auch größere Wasserkühler. Auch das Monocoque wächst durch den notwendigen größeren Tank in die Breite.


Peter Warr, der nun die Geschicke leitet, hat einen Exklusiv-Vertrag mit Pirelli abgeschlossen, was Lotus nicht nur zum Entwicklungspartner der Italiener macht, sondern auch reichlich Geld in die Kasse spült. Bei Tests hat sich herausgestellt, dass die neue, steifere Radialreifen-Generation weniger anfällig für Fliehkräfte ist. Die konventionellen Goodyear-Gummis dehnen sich auf langen Geraden aus, was die Bodenfreiheit erhöht und die Aerodynamik stört. Auf dem Papier bietet Pirelli die modernere Technik, in der Praxis haften die Reifen der Konkurrenz deutlich besser. So wird der ohnehin nicht allzu konkurrenzfähige 93T noch unter Wert geschlagen, aber das würde nur eine wirkliche Rolle spielen, wenn das Auto die Chance hätte, mal das Ziel zu sehen. Der 93T erweist sich als schwerfällig und unzuverlässig. Elio de Angelis sieht bei acht Rennen ein einziges Mal die Zielflagge. In Belgien wird er Neunter.


Was für ein Glück, dass sich Konstrukteur Gérard Ducarouge im Frühjahr mit Alfa Romeo überworfen hat und zu haben ist. Die Verpflichtung des erfahrenen Franzosen ist Warrs wichtigster Schachzug. Die Bestandsaufnahme des Neuzugangs indes fällt ernüchternd aus. Ducarouge kommt schnell zu dem Schluss: Lieber ein komplett neues Auto bauen, als weiter Zeit und Nerven in das bestehende zu investieren.


Jetzt zahlt sich aus, dass Colin Chapman seit seinem ersten Kohlefaser-Chassis die Befestigungspunkte für Fahrwerk und Motor mit Aluminiumflanschen ausgerüstet hat, so passt der 1,5 Liter-Renault-V6 auch an ältere, für den Dreiliter-Cosworth-V8 vorgesehene Lotus-Monocoques. Ducarouge konstruiert seinen ersten Lotus um das schlanke Chassis des Lotus 91 des Vorjahres herum. Das Ergebnis der Notoperation ist der 94T, eine eher konventionelle Konstruktion mit Pushrod-Aufhängung vorn, obwohl zum modernen Standard längst Pullrod-Dämpfung gehört. Das einzig ausgefallene Detail ist der Heckflügel mit gleich vier Blättern, der den Diffusor besonders gut bei der Luftbeschleunigung unter dem Auto unterstützen soll. Wie nicht selten in der Lotus-Geschichte funktionieren gerade eher konventionelle Autos gar nicht schlecht. Ducarouge wird später von diesen fünf hektischen Wochen vom effizientesten und schönsten Projekt seiner Laufbahn sprechen.


Dieser eine Schuss muss auch sitzen, die Zeit drängt nicht nur wegen einer wieder einmal längst laufenden und praktisch verlorenen Saison, dieses Mal geht es um Sein oder Nichtsein, denn selbst in der so gewöhnlich entspannten John-Player-Zentrale stellt man sich die Sinnfrage. Seit der Rückkehr 1980 hat Lotus ein einziges Rennen gewonnen. Die im Sommer anstehende Vertragsverlängerung steht auf der Kippe. Warr verspricht, bis zum Heimrennen in Silverstone zwei komplett neue 94T auf die Räder zu stellen, er bittet um zwei Rennen Geduld. Der Sponsor gewährt nur eines, denn die betreffende Vorstandssitzung findet noch vor dem Rennen in Hockenheim statt.


Der so lange so leidgeprüfte Elio de Angelis ist beim Debüt in Silverstone voller Euphorie. Die Gewichtsverteilung des 94T ist eine andere als beim Vorgänger, und sie harmoniert deutlich besser mit den Pirelli-Reifen. Bei Teamkollege Nigel Mansell scheint sich der Leidensweg fortzusetzen, in der Elektrik ist der Wurm drin. Schon am Abend vor dem ersten Training leidet der Renault-V6 unter Fehlzündungen. Die Mechaniker schrauben die Nacht durch. Als Mansell am Freitagmorgen um sieben aus seinem Motorhome steigt, ist das Auto gerade fertig. Aber nach den ersten Runden zündet der Motor wieder nicht ordentlich. Die Schrauber haben den Tag über alles gewechselt – fast alles. Am Freitag-Abend geht die Order an den Zulieferer ins 200 Kilometer entfernte Diss: Bis zum nächsten Morgen muss ein neuer Kabelbaum her. Was die Sache noch heikler macht: Der britische Grand Prix wird samstags gefahren. Das Qualifying ist schon in die Hose gegangen. Mansell musste auf den 93T zurückgreifen und startet nur von Rang 18. 


Alles sähe nach einem weiteren Tiefpunkt für das Team Lotus aus, wenn nicht de Angelis auf Startplatz vier stünde. Ducarouges Auto funktioniert. Aber der nächste Rückschlag kommt nach nur einer Runde im Rennen, als beim sechstplatzierten Italiener der Motor abstirbt. Aber Mansells Auto läuft endlich und Englands Hoffnung fühlt sich pudelwohl. Schon in der ersten Runde überholt der schnellste Schnauzbart der Branche acht Konkurrenten. Nach 17 Runden ist er in den Punkterängen, dann jagt er Réne Arnoux. Lotus ist wieder schnell genug, um Ferrari zu jagen. Arnoux trickst er mühelos aus, und auch der drittplatzierte Patrick Tambay im zweiten Ferrari wäre fällig gewesen, hätten Mansells Reifen nicht am Ende abgebaut. Was soll’s? Lotus ist wie Phoenix aus der Asche gestiegen, die Gazetten sind voll von Mansells furioser Aufholjagd bis auf Platz vier, das Management von Imperial Tobacco ist begeistert, der Vertrag wird verlängert.


Zum Glück wurde dem Wunsch nach Abwarten bis zum deutschen Grand Prix nicht stattgegeben: Wieder Fehlzündungen bei Mansell, wieder Umsteigen auf den 93T. Im Rennen Motorschaden in Runde eins, bei de Angelis läuft der Renault-Turbo in Runde zehn heiß. Aber generell geht es aufwärts. Mansell ist in Österreich Drittschnellster in der Qualifikation und wird im Rennen Fünfter, gleiches gelingt de Angelis bei seinem Heimspiel in Monza. Mansell kommt ausnahmsweise gleich in den Genuss von zwei Heimrennen, denn der Große Preis von Europa wird 1983 in Brands Hatch ausgetragen. De Angelis ist in drei von vier Trainingssitzungen Schnellster und feiert die erste Pole Position seiner Formel-1-Karriere, ohne seinen zweiten Satz Pirelli-Qualifiers überhaupt anzurühren. Der Sieg bleibt nach einem frühen Gerangel mit Landsmann Riccardo Patrese und einem weiteren Motorschaden ein Traum, aber Mansell wird Dritter in genau jenem Chassis 94T/2, das heute zur Black & Gold-Collection gehört und das einzige verbliebene von drei Chassis des 94T, die gebaut wurden.


Dass im Konstrukteurspokal 1983 nicht mehr als Rang acht herausspringt, liegt neben der vergeudeten ersten Saisonhälfte mit dem 93T nicht zuletzt an den Pirelli-Reifen, die nur auf einigen Strecken funktionieren. Trotz der unterm Strich eher mageren Statistik ist der 94T ein Warnschuss an die Konkurrenz. Lotus hat zurück in die Spur gefunden, und längst sitzt Gérard Ducarouge am Entwurf für ein neues Auto, seinem ersten komplett neu entwickelten Lotus.