1983 Lotus 92 John Player Special

Movie-Cars

Motorengröße

2993cm³

(183cuin)

Unique Cars

Leistung

530PS

(390KW)

Racing-Cars

Getriebe

Manuell

Racing-Cars

Preis

gegen Gebot

Technische Daten

Fahrzeugtyp
Formel 1
Motorentyp
Ford-Cosworth DFV V8, 90°
Zylinder
8
Fahrgestell-Nr.
92/5 - 91/5 - 87B/5
Wagenfarbe
schwarz
Interiorfarbe
schwarz

Interne Nummer #233

Beschreibung

Lotus 92 


Saison 1983 


Chassis 92/5 


Das Tauziehen um den Lotus 88 hat viel Zeit und Geld gekostet. Schließlich hatte Lotus bereits im Oktober 1979 mit dem Prototypen Lotus 86 einen ersten Entwurf mit Doppelchassis auf die Räder gestellt, und schon damals war die Reaktion der Weltmotorsportbehörde FISA ablehnend. Die Flickschusterei mit dem Typ 87, um die Saison 1981 irgendwie zu Ende zu bringen, band ebenfalls Zeit und Energie. Die in seinen Augen willkürlichen und widersinnigen Beschlüsse der Sporthoheit haben Colin Chapman müde gemacht. Der mittlerweile 53-Jährige scheint das Interesse an der Formel 1 verloren zu haben.


Als Konsequenz all dieser Umstände stellt Lotus für die Saison 1982 ein völlig konventionelles Auto vor, und auch das wird erst zum zweiten Rennen fertig. Der Lotus 91 ist zu gut um nur mitzufahren, aber eigentlich nicht gut genug, um mit den Besten mitzuhalten. Mansell wird beim zweiten Rennen in Brasilien Dritter, danach sieht er das Treppchen nur noch von weitem. Der angehende Weltmeister Keke Rosberg staunt nicht schlecht, dass ihn Elio de Angelis beim viertletzten Lauf in Österreich mit diesem simplen Auto geschlagen hat. Aber dieser Erfolg in Zeltweg bleibt der einzige große Erfolg in diesem Jahr – immerhin, es ist der erste Lotus-Sieg seit vier Jahren.


In Sachen aerodynamischer Abtriebsgewinnung sind die britischen Konkurrenten von Williams, McLaren und Brabham längst besser, letztere fahren nun mit aufgeladenen BWM-Motoren. Die Turbo-Fraktion immer größer, weil die Turbotechnik immer fahrbarer, zuverlässiger und stärker geworden ist. Anfang 1982 fahren von 17 Teams 14 mit Saugmotoren, davon zwölf mit dem bewährten Cosworth DFV, ein Jahr später sind es noch neun Saugmotor-Teams, allesamt mit der letzten Ausbaustufe der britischen Motorenschmiede, dem kurzhubigen Dreiliter DFY, der in seiner letzten Ausbaustufe mühsam runde 500 PS aus seinen acht Zylindern wringt. Die Turbofraktion ist vor allem im Qualifying längst mit 650 PS unterwegs, während der Saison laufen weitere vier Teams zur aufgeladenen Fraktion über – darunter auch Lotus.


Chapman war schon nach Beschneidung der Wing Cars 1980 klar, dass in Zukunft ohne Turbos nichts mehr geht, aber erst für die Saison 1983 würden 1,5-Liter-Renault-Turbomotoren verfügbar sein, und das auch nur in begrenzter Zahl, und so war in Ketteringham Hall schnell klar, dass die chronisch überarbeitete Technik-Crew abermals zweigleisig fahren muss. Noch im Herbst 82 entsteht ein erstes Test-Chassis für einen letzten Lotus mit Saugmotor. Der Lotus 92 trägt im Prinzip die gleiche Karbon-Kevlar-Verbund-Fahrgastzelle wie die Vorgänger 88, 87 und 91. Mittlerweile liegt das Gewicht des Monocoques bei nur noch 18 Kilogramm, dennoch ist es das sicherste, das Lotus bis dato gebaut hat.


Der Typ 91 aus der Feder von Martin Ogilvie hat wegen seiner geschwungenen Linien viele Fans, Colin Chapman gehört nicht dazu. Er bevorzugt Geradlinigkeit und Schnörkellosigkeit, die sich im Design des 92 finden. Waren beim Vorgänger Lotus 91 die aerodynamischen Schürzen schon stark beschnitten, muss das neue Chassis den aktuellen Regeln angepasst werden, die zwischen den Achsen einen komplett flachen Unterboden vorschreiben. Den Lotus 91 konnte das Team zuweilen noch ohne Frontflügel fahren, daran ist mit dem 83er Reglement nicht mehr zu denken. Peter Wright, mittlerweile Chefkonstrukteur erinnert sich: „Jeder, der im Feld von Bedeutung war, hatte nun Turbo, Colin entschied, dass wir etwas Besonderes brauchten.“


Und wieder einmal beschreitet Lotus einen komplett neuen Weg. Chapman lässt in den 92 ein aktives Fahrwerk einbauen. Anstatt mit gewöhnlichen Feder-Dämpfereinheiten arbeitet das System mit hydraulischen Zylindern, die computergesteuert den Bodenabstand möglichst konstant halten sollten, um erstens das Rollverhalten zu minimieren und zweitens den immerhin noch erlaubten Diffusor möglichst ohne Strömungsabriss mit Luft zur Abtriebsgewinnung zu versorgen. Das Fahrwerk kommt auch ohne Stabilisatoren aus. Last- und Beschleunigungs-Sensoren an jedem Zylinder melden Daten an den Zentralrechner. Den notwendigen hydraulischen Druck liefert eine vom Motor angetriebene Pumpe.


Das Projekt steht unter keinem guten Stern. Als der vielversprechende Nachwuchsfahrer Dave Scott am 16. Dezember 1982 in Snetterton zu einem ersten Funktionstest aus der Box rollt, trifft Teamchef Peter Warr mit der Hiobsbotschaft ein, dass Colin Chapman in den frühen Morgenstunden nach einem schweren Herzinfarkt gestorben ist. Er wurde nur 54 Jahre alt.


Warr übernimmt die Amtsgeschäfte und muss miterleben, dass der letzte Geniestreich des großen Chefs in der Theorie fantastisch ist, aber wie schon öfter erlebt in der Praxis nicht funktioniert. Dass die aktive Aufhängung mit all ihren Zylindern, Aktuatoren, Sensoren, Kabeln, Schläuchen, Pumpe und Steuergerät einiges wiegt, wäre zu verschmerzen, wenn sie denn ihren Dienst tun würde. Aber wie schon in Aerodynamik-Dingen war Chapman seiner Zeit nicht nur voraus, sondern zu weit voraus. Die Computer der frühen Achtziger sind schlicht nicht leistungsfähig genug, um ein solch komplexes System mit solcher Datenmenge in nahezu Echtzeit zu steuern. Die Reaktionen der Hydraulik hinken den Radbewegungen ständig hinterher. Das Team gibt der abermals revolutionären Technik in Rio und Long Beach eine Chance. In Kalifornien bockt das Auto wie ein Rodeo-Bulle, Mansell hat alle Hände voll zu tun, und wird lediglich Zwölfter.


Wieder einmal schiebt das Team Lotus Extraschichten und strickt den 92 in aller Eile auf ein konventionelles Fahrwerk um. Mit dem aktiven Fahrwerk soll sich die Entwicklungsabteilung für künftige Straßensportwagen weiter beschäftigen. Chapman hat es mit seinem letzten Streich geschafft, das Interesse der gesamten weltweiten Automobil-Industrie zu wecken, aber es wird noch Jahre dauern, bis aktive Fahrwerke tatsächlich den gewünschten Zweck erfüllen können. Acht Rennen müht sich Nigel Mansell mit dem Typ 92 ab, mit Mühe holt er bei vier Ausfällen und drei zwölften Plätzen auf dem Straßenkurs von Detroit einen einzigen Punkt. Zwei Rennen später sitzt der Engländer wie schon seit Saisonbeginn Teamkollege Elio de Angelis in einem turbobefeuerten Lotus.


Für den Schwanengesang der sage und schreibe 17-jährigen Cosworth-Ära hat das Team Anfang 1983 nur zwei Autos gebaut, Mansells Einsatz-Chassis 92/10baut auf dem Vorgänger 91/10 auf und ist vermutlich im Sommer 1983 für den Aufbau eines Turbo-Autos umgewidmet worden. Das einzige überlebende Exemplar trägt die Chassis-Nummer 92/5, das zwei Jahre zuvor als 87/5 und danach als 91/5 seinen Dienst verrichtete und in der Saison 1983 als Ersatzauto für Mansell dient. Das einzige überlebende Exemplar des letzten Saugmotor-Lotus der Geschichte ist nun Teil der Black & Gold-Collection. Beim historischen Monaco-Grand-Prix 2022 steuert Michael Lyons das Einzelstück des Teams ChromeCars auf Rang zwei – allerdings mit gewöhnlichen Federn und Dämpfern.